KROATIEN – DEUTSCHLAND 2:1

Vorbericht

– Knallhart recherchierte Fakten zum Einstieg: Fredi Bobic hat laut Wikipedia eine kroatische Mutter, trug 2006 das Trikot von HNK Rijeka (8 Spiele, 2 Tore), ist zwar mittlerweile 36, kann aber noch laufen und wäre für den DFB spielberechtigt. Fußballer sind ja bekanntermaßen abergläubisch, sodass ich diese kleine Serviceinformation gratis für Jogi, Hansi und Andi anbiete, falls sie wieder voll und ganz auf die „Stürmer trifft gegen seine Wurzeln“-Taktik setzen wollen. Selbst anrufen trau ich mich nicht.

– Sicherheitshalber feuere ich während der Partie alle deutschen Spieler zusätzlich mit ihren imaginären kroatischen Namen an. Bei den auf -i endenden Spitznamen geht das wunderbar einfach: ein -c anhängen und schon trifft Poldic nach Pass von Schweinic, während Kuranyic wieder die Ersatzbank anwärmen darf. Beim Rest geht Klosic, Ballacic und Lahmic noch gut über die Lippen, während Hitzlspergeric, Fritzic oder Mertesackeric wohl auch dem einfältigsten Kroaten keine Furcht ins Herz treiben.

– Ich hab eine Wette bei Basic Thinking laufen, in deren ungünstigstem und fernab jeder Realität liegendem Fall (also einer Niederlage unserer Jungs) dieses Blog in die kroatischen Nationalfarben gehüllt werden wird. Umgekehrt hisst Robert die Deutschlandfahne, wenn die Deutschen vollkommen erwartungsgemäß mit 2:0 gewonnen haben. So wird es auch kommen, denn Robert Kovac und Josip Simunic in der Abwehrkette verströmen doch zusammen die Aura zweier Rentner, die gehstockschwenkend und schimpfend den jungen Bengeln hinterherhumpeln, die ihnen wieder einmal entwischt sind.

– Zum Schluss noch Worte der ehrlichen Anerkennung: Der Trainer der Kroaten, Slaven Bilic, ist mir offen sympathisch. Spielt in einer Rockband, hat Jura studiert und war in seiner aktiven Zeit kerniger Abwehrrecke ohne jegliche Filigranneigungen. Damit führt er die Liste der Trainer an, denen ich den Pokal (hinter unscherem Jogi jafreilich) gönnen würde. Ganz einfach, weil Slaven bei der Siegerzeremonie mit Sicherheit auf seiner E-Gitarre das Solo von „We will rock you“ in den Wiener Abendhimmel abzerrt. So locker ist der drauf. Auf den Plätzen 2 und 3 aktuell: Terim Fatih (beißt beim Hochhalten der Trophäe vor Wut in die selbige und mault unbeherrscht seine Spieler an) vor Luis Aragones (lässt nach Abpfiff sofort die Presse aussperren).

Nachbericht

– Ja, ist denn schon wieder 1998? Ich schaue aus dem Fenster, nein, da steht kein DeLorean vor meiner Haustür, im Fernseher rumpeln auch nicht Wörns, Matthäus oder Heinrich, noch reckt Bierhoff verzweifelt sein Lockenköpfchen gegen den Ball. Das ist dieselbe Mannschaft, die die Polen glattgebügelt hat und jetzt so spielt, als ginge es darum, den Türken im Viertelfinale oder gleich dem Viertelfinale selbst aus dem Weg zu gehen. Unfassbar.

– Infolge des Sieges der Kroaten hat sich hier drin ein kleiner Unfall ereignet, der mit der im Vorbericht erwähnten Wette zu tun hat. Bis zum Wochenende wird das leider so bleiben. Glückwunsch an Robert, der die anderen Herausforderer nun zur Wetteinlösung bitten darf. Was heißt „Man sieht sich zweimal im Leben“ eigentlich auf Kroatisch?

– Es folgt der verzweifelte Versuch, etwas Positives aus dem Debakel mitzunehmen:

  1. Der Schalke-Fan in mir sagt: „Der Rakitic hat gespielt. Und der Kuranyi. Und einer von denen hat sogar gewonnen!“
  2. Jetzt ist endlich Brisanz im Spiel gegen Österreich.
  3. Odonkor als rechter Verteidiger könnte in Verbindung mit Herzmittelknappheit das Rentnerproblem in Deutschland lösen.
  4. Jansen wird im nächsten Spiel wieder mehr Fußball spielen. Weil weniger als heute geht fast nicht.
  5. Hätten die doch besser mal auf mich gehört und den Bobic angerufen.

ÖSTERREICH – POLEN 1:1

Vorbericht

– Mit dem Toreschießen haben es die Österreicher ja nicht so, wie man ihn ihrem Auftaktspiel gesehen hat. Wahrscheinlich werde ich die 90 Minuten gegen die Polen auch wieder ohne Jodeltorschrei auskommen müssen. Ein zaghaftes Anfeuerungs-PRÖÖÖÖDL ist aber immer noch drin. Auch wenn der allgemeine Trend aktuell zur Gastgeberausscheidung geht.

– Ich denke, der alte Trainerfuchs Beenhakker wird die Nummer heute ganz kaltschnäuzig einfahren. Der hat schon ganz andere Mannschaften nach vorne gebracht. Ich gemahne an TnT (Trinidad und Tobago), Holland oder Real Madrid. In Saudi-Arabien war er auch mal, aber nur für zwei Monate. Der weiß halt schon, wann es keinen Sinn hat. Und da er an der polnischen Mannschaft schon seit 2006 rumschraubt, hat er sicher einen Masterplan. Mein Tipp: die Kroaten müssen im letzten Spiel noch zittern.

Nachbericht

– Auszug aus dem österreichischen Lexikon des Fußballs:

Chancenverwertung, die:
bislang kaum erkundetes Forschungsgebiet; die letzte Versuchsanordnung vom 12.06. 2008 musste aufgrund von Abwehrreaktionen der Füße, Hände und Stahlhoden des polnischen Torwarts Boruc erfolglos abgebrochen werden. Erst durch die Ruhigstellung des Balles und den Einsatz eines lebenserfahrenen Wissenschaftlers kam es zum ersten Kontakt mit dem inneren Tornetz

– Folgenden Formulierungsvorschlag spende ich der tumben Boulevardredaktionsschaft: „In den ersten 20 Minuten war Polen offen, dennoch ist es vor dem letzten Spiel noch nicht verloren“.

– Insgesamt selbstverfreilich ein verdientes Unentschieden, zumal das Führungstor der Polen einen halben Kilometer Abseits war. Was die österreichischen Abschlussbemühungen anbelangt, habe ich während der 90 Minuten oft und gerne den Dialektbegriff „hormlos“ Richtung Fernseher geworfen.

– Im Spiel gegen Deutschland wird Prödl wegen der zweiten gelben Karte fehlen. Gegen Österreich ohne Abwehrstütze und vorne ohne Durchschlagskraft müsste ein Unentschieden zu packen sein. Wenigstens eine hoffnungsvolle Aussicht nach diesem Spieltag.

4 Gedanken zu “Das unfassbar kroatische EM-Tagebuch – Tag 6

  1. Robert, ich verbeuge mich gramgebeugt zurück 😉
    Noch so ein Spiel und meine Bandscheibe muss auf die Auswechselbank.

    Mir ist gestern aufgefallen, dass ich im ersten Versuch statt Kroatien immer Kraotien schreibe. Dank der fortgeschrittenen Kroatisierung dieses Blogs stellt sich hier jedoch langsam Besserung ein.

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